Wege aus der Angst in ein erfülltes Leben

Die große Stärke der Narren ist es, dass sie keine Angst haben, Dummheiten zu sagen. – Jean Cocteau

Es ist besser, hinzufallen und wieder aufzustehen als gar nicht erst los zu laufen.

Tatsächlich ist Angst in unserer modernen Gesellschaft vor allem ein Problem intelligenter Menschen. Ihnen wird bereits von Kindesalter an beigebracht, Risiken zu vermeiden. Wer Risiken eingeht, wird als dumm angesehen. Sicherheit ist mehr wert als alles andere…

Lassen Sie sich z. B. von einer der vielen Versicherungsunternehmen beraten, werden Ihnen Versicherungen angeboten, von deren Existenz Sie bis dahin noch nicht einmal gehört haben. Wagen Sie sich ja nicht zu weit zum Fenster hinaus und bleiben Sie auf sicherem Terrain. Doch wenn man es sich genau überlegt, ist eine absolute Sicherheit weder möglich noch erstrebenswert…

Angst und Gefahren

Ein allzu großes Sicherheitsstreben geht nämlich damit einher, dass Sie Ihr Leben nicht mehr selber steuern, sondern nur noch auf Gefahren reagieren. Statt Ihr Leben in die Hand zu nehmen, selber zu handeln, bleiben Sie lieber in Sicherheit. Sie gründen nicht Ihr eigenes Unternehmen, sondern streben lieber eine “Karriere” als Beamter an und können sich schon mit Mitte zwanzig ausrechnen, welche Pension Ihnen einmal zustehen wird. Sobald Sie pensioniert sind, können Sie ja immer noch Ihr Leben beginnen und zur großen Weltreise aufbrechen, auch wenn Ihr Job bis dahin Sie nicht im Geringsten ausfüllt. Vielleicht nehmen Sie auch Ihre Ehepartnerin oder Ihren Ehepartner mit, von dem Sie sich nicht trennen konnten, aus Angst, nie wieder jemand anderen zu finden. Auch wenn Ihre Beziehung schon seit langem das Feuer verloren hat, das Sie einst mit solcher Leidenschaft erfüllt hat. Ein viel zu großes Risiko, sich gegen das System aufzulehnen und einen eigenen Lebensweg zu suchen. Folgen Sie der Masse, dann sind Sie in Sicherheit. Seien Sie dankbar für den Platz, den Ihnen das Schicksal zugewiesen hat. Vielleicht hält es ja für Sie in Zukunft doch noch etwas Positives bereit.

Natürlich gibt es im Leben Situationen und Risiken, die Sie lieber vermeiden sollten. Es ist jedoch ein Unterschied, ob jemand sich einfach gedankenlos in die schlimmsten Situationen manövriert oder einfach seinen Lebensweg geht, ohne ständig nur an die Gefahren zu denken. Angst lähmt Sie. Angst bringt Ihre Entscheidungsfähigkeit zum Stillstand. Angst vor oftmals gar nicht vorhandenen Gefahren. Wie würden Sie Ihr Leben gestalten, wenn Sie keine Angst hätten? Wenn Sie klar denken könnten, die gleiche Intelligenz besitzen würden, aber von dieser Emotion befreit wären? Würden Sie vielleicht Ihr eigenes Unternehmen gründen, fremde Frauen auf der Straße ansprechen oder sich einfach einmal mit einem Fremden unterhalten. Und jetzt überlegen Sie sich einmal, was schlimmstenfalls passieren könnte, wenn alles schief laufen würde. Wenn Sie wirklich der Versager wären, den Ihnen Ihr kleines Männchen im Ohr immer einredet. Sie wären exakt an der gleichen Stelle, an der Sie sich jetzt befinden! Wie oft haben Sie sich schon selbst davon überzeugt, etwas nicht zu tun – aus Angst, irgend etwas könnte schief laufen. Die Frau auf der Straße könnte Sie zurückweisen, die fremde Person findet Sie langweilig oder bei der Rede, die Sie halten sollen und – ja – möchten, fänden andere lächerlich. Der Mensch ist ein Genie darin, sich Situationen auszudenken, sich Argumente zurechtzulegen, etwas nicht zu tun. Wie viel leichter wäre es, einfach weiter zu gehen oder sich krank zu melden…und Ihr Leben an Ihnen vorbeilaufen zu lassen. Denken Sie einmal daran, welche Wende Ihr Leben nähme, wenn Sie alle diese Dinge täten…

Mut

Aber das erfodert Mut von Ihnen. Und die Schwierigkeit, diesen zu sammeln, liegt nicht innerhalb Ihres rationalen Denkens. Wirkliche Gefahren gehen von all den Situationen, über die wir uns zuvor Gedanken gemacht haben, nicht aus. Es liegt viel mehr in der Natur des Menschen, wie jedes andere Lebewesen bei Gefahr so schnell wie möglich das Weite zu suchen. Ihre Aufgabe ist es, sich als Mensch über andere Lebewesen zu erheben. Das Problem dabei ist, dass Sie sich in einem Teufelskreis befinden, in den Sie immer tiefer geraten. Wenn Sie einmal der vermeintlichen Gefahr aus dem Weg gegangen sind, bringen Sie sich quasi selber bei, dies immer wieder zu tun. Sie haben sich damit abgefunden, einen Job zu machen, der Sie nicht ausfüllt, aber Ihnen die Gewissheit gibt, jeden Monat ein Auskommen auf dem Konto zu haben. Sie leben in einer Ehe, die Sie nicht mehr erfüllt, aber sind immerhin nicht ganz alleine in Ihrer Wohnung. Trotzdem gibt es immer wieder diese nagende Stimme, die Ihnen sagt: Das ist es nicht, was ich will. Ich will mehr, ich will raus aus dieser Enge, ich will Freiheit.

Wie gehen Sie mit dieser unbequemen Stimme um? Verdrängen Sie sie noch ein paar Jahre länger und stellen Sie mit Alkohol ruhig, setzen sich vor den Fernseher oder stürzen sich in Ihre Arbeit, die Sie nicht erfüllt. Fein, reden Sie sich doch selbst ein, dass das Leben Sie hart bestraft hat, dass für andere zu arbeiten Ihre Pflicht ist oder dass Sie jederzeit auch wieder mit dem Alkohol aufhören könnten, dass es sich nur um eine vorübergehende Phase handelt.

Konfrontation Ihrer Ängste und Aufbau von Mut

Der Weg aus diesem Teufelskreis ist die Konfrontation mit Ihrer Angst. Nehmen Sie allen Mut zusammen und fordern Sie diese innere Stimme heraus. Fragen Sie sie, was sie Ihnen wirklich mitteilen möchte. Lassen Sie sich Zeit, suchen Sie sich einen Ort, an dem Sie ungestört sind, und vor allem: Halten Sie Ihre Gedanken schriftlich fest. Diese innere Stimme hat Ihnen viel zu sagen. Das Aufschreiben dieser Gedanken ist deshalb so wichtig, weil Ihnen mit Sicherheit Ihr eigener Verstand später wieder mit Millionen von Gründen kommt, die dem, was Sie da von Ihrer inneren Stimme erfahren haben, entgegen sprechen. Sie wissen jetzt, dass Ihre Ehe nicht mehr funktioniert und Sie nicht glücklich sind…aber was würde eine Scheidung kosten? Sie wollen sich sozial engagieren, für andere Menschen dasein, anderen helfen und Ihren lukrativen Job als Banker aufgeben – aber wer bezahlt die Schulden für das Haus? Sie sollen sich andere Freunde suchen – aber bin ich dann nicht alleine? Hören Sie nicht auf die Streiche, die Ihre Gedanken im Nachhinein mit Ihnen spielen möchte. Diese innere Stimme, der Sie jetzt zum ersten Mal in Ruhe zugehört haben, hilft Ihnen, Ihr Leben kongruent an Ihrer Persönlichkeit auszurichten. Versuchen Sie das, was diese Stimme Ihnen sagt, knapp zusammenzufassen – vielleicht in einem Satz, vielleicht auch nur in ein, zwei oder drei Worten: Haus verkaufen, verreisen, Beziehung abbrechen, Freundschaft beenden, Tanzen lernen, Fallschirm springen, Job wechseln, Menschen ansprechen. Schreiben Sie dieses Fazit in großen Buchstaben unter Ihre gemachten Aufzeichnungen.

Wege aus der Angst in ein erfülltes Leben

Es gibt viele Wege aus der Angst. Wichtig ist es, dass Sie verstehen, dass Mut ein rationaler Prozess ist und kein emotionaler wie die Angst. Ihr Ziel muss es also sein, Ihre emotionale Angst mit rationalem Denken zu überwinden. Sie setzen Ihre Intelligenz, Ihr logisches Denken ein, um sich klar zu machen, dass Ihre Angst unbegründet ist, und tun etwas, obwohl Ihre Emotionen eigentlich dagegen sprechen. Das wird im Endeffekt dazu führen, dass Sie Ihre negativen Emotionen abbauen und schließlich ganz verlieren.

Das ist zwar logisch und hört sich einfach an, wird Ihnen aber trotzdem zunächst nicht weiterhelfen, wenn Sie plötzlich eine Rede vor einer riesigen Gruppe halten sollen. Sie werden die Angst trotzdem weiter verspüren, auch wenn Sie sich noch so oft rational klar machen, dass von dieser Situation eigentlich gar keine Bedrohung ausgeht. Betrachten Sie Ihren Mut als Muskel, der trainiert werden will. Genau so wie Sie, wenn Sie mit dem Laufen anfangen, nicht gleich am ersten Tag einen Marathon laufen, sollten Sie versuchen, Ihre Angst schrittweise zu überwinden. Sie müssen ja nicht gleich damit beginnen, Ihre Traumfrau vor allen Ihren Freunden nach einem Date zu fragen oder Fremde auf der Straße einfach anzusprechen. Beginnen Sie z. B. damit, nicht mehr vor sich hin auf den Boden zu schauen, wenn Sie durch die Straßen gehen, sondern Menschen auf der Straße anzulächeln. Der nächste Schritt könnte sein, diese mit einem einfachen “Hallo” zu grüßen und danach weiter zu gehen. Setzen Sie diesen Prozess langsam fort, bis Sie sich in der Lage fühlen, mit jedem zu jeder Zeit ein Gespräch anzufangen. Wenn Sie sich überfordert fühlen, gehen Sie einen Schritt zurück und trainieren Sie eine leichtere Übung. Wenn Sie möchten, setzen Sie sich jetzt gleich hin, nehmen Sie Papier und Stift zur Hand und schreiben Sie auf, was Ihnen Angst bereitet. Anschließend überlegen Sie sich, wie Sie daraus so etwas wie einen Trainingsplan machen können. Überlegen Sie sich zehn immer schwieriger werdende Trainingsziele und gehen Sie diese im Laufe der Zeit immer weiter durch. Sie erreichen dadurch zwei Effekte: Zum ersten werden Sie selbst bei leichteren Übungen Ihre Angst schrittweise abbauen. Dies wird Sie in die Lage versetzen, in Zukunft viel lockerer und angstfreier auf Situationen zu reagieren und schließlich das zu tun, was Sie sich wirklich wünschen. Sie ändern Ihr Verhalten von einem reaktiven vermeidenden Verhalten (Flucht) hin zu einem bewussten Leben.

Ein zweiter Ansatz ist es, sich über das, was Ihnen Angst macht, näher zu informieren. Diese Methode eignet sich insbesondere dann, wenn ein Großteil Ihrer Angst in unbekannten Faktoren begründet ist. Sie haben Angst, Ihren Job zu kündigen, weil Sie nicht wissen, was Sie danach erwartet. Sie wollen gerne als Selbstständiger arbeiten, aber der Schritt erscheint Ihnen zu risikoreich und zu gewagt? Beginnen Sie damit, sich mit anderen Selbstständigen zu unterhalten, Erfahrungen zu sammeln. Sammeln Sie Informationen zu dem Geschäftsbereich, indem Sie sich selbstständig machen wollen. Besuchen Sie Vorträge. Suchen Sie sich einen Mentor. Nach einer Zeit werden Sie sich so informiert fühlen, dass der Schritt, Ihren Job zu kündigen, nicht mehr als DAS große Risiko erscheint, sondern nur noch als ein notwendiger Schritt auf dem Weg, sich selbst zu verwirklichen.

Wichtig bei diesen Prozessen ist, dass Sie sie bewusst durchführen. Erliegeen Sie nicht der Versuchung, sich darüber zu beschweren, dass Dinge zu kompliziert oder zu schwer sind. Es handelt sich dabei lediglich um Ihre Ansicht der Welt, um Ihre Gedanken. Angst vor etwas liegt nicht im Objekt selbst begründet, sondern vielmehr in Ihrer emotionalen Reaktion.

Wo führt Sie dieser Prozess hin?

Die Antwort auf diese Frage lautet: in ein erfüllteres und sinnvolleres Leben. Das Ablegen Ihrer Ängste wird es Ihnen erlauben, nicht mehr nur in Reaktion auf Ihre Emotionen zu leben, sondern Ihre Talente und Stärken zu trainieren, auszuleben und Ihre wahren Wünsche zu verwirklichen. Der Aufbau von Mut ist ein Prozess, den Sie alleine gehen müssen. Es ist ein Sieg über sich selbst. Ihr Lebensziel, ihren Sinn im Leben müssen Sie für sich selbst herausfinden. Sie werden damit konfrontiert, dass Sie am Ende ganz alleine für Ihr Leben verantwortlich sind, auch wenn Sie vieles z. B. mit Ihrem Partner teilen können. Ob Sie diese Verantwortung zeitweise auf andere übertragen – das kann z. B. Ihre Arbeit oder Ihr Partner sein, von denen Sie sich beeinflussen lassen – und ein reaktives Leben führen, liegt ganz alleine in Ihrer Hand. Aber Sie sind auch derjenige, der die Konsequenzen zu tragen hat. Wenn Sie sich dagegen für ein bewusstes Leben entscheiden und sich wirklich dazu entschließen, Ihr eigenes Potenzial, Ihre Stärken voll auszunutzen, werden Sie die Erfahrung machen, dass Sie auch andere Menschen ganz wesentlich beeinflussen werden. Übernehmen Sie die Verantwortung für Ihr Leben. Ihr Lebensweg ist nicht von Ihren Eltern, von Ihrem Partner/Ihrer Partnerin oder den widrigen Umständen bestimmt, sondern ganz allein von Ihnen selbst. Wenn Sie diesen Weg gehen, wird sich von Zeit zu Zeit die Versuchung einstellen, zur vermeintlichen Sicherheit eines reaktiven Lebens zurückzukehren. Wenn Sie jedoch einmal von einer wirklichen Selbstverwirklung gekostet haben, wird ein derartiges Leben für Sie irgendwann seinen Reiz verlieren und für Sie uninteressant werden. Ihre Angst wird die Macht verloren haben, Sie auf Ihrem Lebensweg aufzuhalten.


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